Sonntag, 5. Mai 2013

Die Un-Konferenz

Mein  bisheriges Berufsleben war immer wieder durch die Teilnahme an Konferenzen geprägt. Entweder als Referent, Aussteller oder auch reiner Teilnehmer. Eine schillernde Welt die, über all die Jahre, ein gutes Netzwerk, jede Menge T-Shirts, Kaffeetassen und Kugelschreiber bei mir hinterlassen hat. Die inhaltliche Ausbeute solcher Veranstaltungen war dann eher mager. Die meisten Vorträge wurden durch die Sponsoren "gekauft" und waren Produktpräsentationen. Sicher, es war auch meine Aufgabe solche Produkte zu kennen, um meine Kunden lösungsorientiert beraten zu können, aber ehrlich gesagt hätte es eine kurze Studie der Produktbroschüre genauso getan, denn in den meisten Fällen blieb nach zwei Wochen inhaltlich ohnehin nichts mehr hängen.

Anfang Mai hatte ich jetzt die Gelegenheit zum ersten mal an einem Bar-Camp (manche nennen es auch Unkonferenz) teilzunehmen. Geprägt von meiner bisherigen Konferenzerfahrung, war mein erster Eindruck: "In welcher Selbsthilfegruppe bin ich denn hier gelandet?" In der Retrospektive führe ich des darauf zurück, dass die Leute gleich anfingen ihre Probleme zu thematisieren. Bisher kannte ich nur, dass die Veranstalter Lösungen hatten und jetzt die Probleme (die meist in Herausforderungen umgetauft wurden) dafür suchten. Jetzt kamen bei der morgendlichen Zusammenstellung der Agenda Fragen auf den Tisch wie,
  • "Ich arbeite gerade an ... und komme nicht weiter."
  • "Habt ihr Erfahrungen zu ....?"
  • "Ich könnte Euch etwas zu folgendem Sachverhalt erzählen. ... Ist wer interessiert?"
Da die Teilnehmer bei Bar-Camps mit den Füssen abstimmen (sie gingen in oder aus der Session) kamen nur Themen zum Zug die auch von Interesse waren. Viele entwickelten sich sehr spontan. Eine aufwendige Vorbereitung des Themas hätte umsonst sein können, da sich eventuell keiner dafür interessiert hätte. Dieses Desinteresse würde man anderenorts für unhöflich empfinden und müsste es als "Leidtragender" erst einmal aushalten. Hier war es aber Bestandteil eines empirischen Prozesses. Wenn sich niemand für das Problem interessierte war es möglicherweise keines, oder es war nicht nachvollziehbar ausformuliert. Es konnte aber auch andere, unterschiedlichste Gründe haben. Andersherum betrachtet: Hätte man das Problem mit Gewalt auf die Agenda gesetzt, hätten sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die Session-Besucher nur mühsam dafür begeistert und wären an einer Lösung kaum interessiert.

Das alle Sessions ihre Teilnehmer fanden und kaum gewechselt wurde, zeigte hier auch die Qualität (Kundenorientiertheit) der Themen, wobei mir erfahrene Bar-Camper bestätigten, dass das ungewöhnlich sei. Ein häufiger Wechsel zeigt nämlich auch, dass die Themen so passend sind, dass man sich gar nicht für eine bestimmte Session entscheiden kann.

Die Session die ich besucht habe, entwickelten sich alle in eine interessante Richtung. Sie zeigten dass viele an den gleichen Fragestellungen zu knabbern hatten. Schön wenn andere sie schon für sich gelöst hatten, wieder andere hatten so manchen Lösungsansatz schon wieder verworfen. Wer also gezielt etwas über Fachthemen lernen will, ist hier falsch weil er nie weiß was am Ende herauskommen wird. Möchte man aber seinen Standpunkt finden bzw. festigen oder Ideen weiterentwickeln und sucht hierfür Sparrigspartner, dem kann hier geholfen werden und ganz nebenbei entwickelt sich auch noch ein Netzwerk das einen über das Camp hinaus dann weiterhelfen kann.

Ich selbst empfand die zwei Tage als intensiv und absolut wertschöpfend. Selbst wenn man anderen bei ihren Problemstellungen half, profitierte man von der eigenen Bestätigung oder man merkte, dass der eigene Deckel nicht auf jeden Topf passte. Zwischendurch kam mal der Begriff der "Suchtgefahr" auf. So etwas macht mich immer stutzig, dennoch werde ich mit Sicherheit beim nächsten Mal wieder dabei sein. Zuletzt noch mein Dank dem Veranstaltungsteam, das "ehrenamtlich" viel Zeit investierte - es hat sich gelohnt.

4 Kommentare:

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  2. Hallo Bernd, eine schöne Zusammenfassung, die mich wieder an "mein erstes BarCamp" erinnert hat - das 1. KnowledgeCamp in Karlsruhe! Ich bin damals begeistert & fasziniert nach Hause gefahren (dort hab ich übrigens einen anderen Wissensmanager kennengelernt, der auch in meinem Heimatdorf wohnt - den ich dort aber noch nie gesehen hatte!)

    Seit ein paar Wochen bin ich nun selbst im Orga-Team des IsarCamps, das am 07. + 08. Juni in München stattfindet! Das zentrale Thema ist die "Sharing Economy" - dabei geht es auch um WM-Aspekte wie "Knowledge Sharing" und "kollaborative Arbeitsformen". Das IsarCamp ist allerdings kein reines Barcamp, wir haben auch Keynote Speaker & Referenten, die mit spannenden Vorträgen zu weiteren Diskussionen anregen!

    Ich würde mich jedenfalls freuen, Dich auch da zu sehen!
    Mehr dazu: www.isarcamp.com

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  3. @Rainer: Danke für Deine Anmerkungen. Schön dass es in München auch etwas derartiges gibt. Leider bin ich im Urlaub in dieser Woche. Wünsche Euch aber viel Erfolg und Spaß dabei.

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  4. Nachzulesen gibt es die Session-Doku vom PM-Camp in Stuttgart auf openPM: https://www.openpm.info/display/openPM/Sessiondokumentation+PM+Camp+Stuttgart+2013

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